Außergewöhnliche Zeiten – Selbsthilfe im Kontakt

Außergewöhnliche Zeiten brauchen außergewöhnliche Kontakte
oder wie haben Selbsthilfegruppen in Zeiten von Corona Kontakt gehalten

Wir haben bei den Selbsthilfegruppen in Mittelfranken nachgefragt, wie sie ihre Treffen derzeit gestalten. Die kurzen Beiträge sprechen für sich:

Blinde sind aufs Hören angewiesen
Ich schreibe jetzt mal in Vertretung für alle Betroffene in unserer Blinden- und Sehbehindertengruppe.
Aufgrund der Kontaktsperre fehlt uns der Austausch in der Gruppe sehr, ganz besonders die Begegnung mit den Anderen. Aber ich rufe die Leute immer mal wieder an, um so den Kontakt zu halten oder um Informationen weiterzugeben. Gerade die Teilnehmenden, die alleine leben, sind sehr dankbar dafür. Wenn man blind oder sehbehindert ist, ist man sehr aufs Hören angewiesen. Da tut es gut, wenn man mal anruft oder angerufen wird. Ich sehe das als meine Aufgabe an.
Blinden- und Sehbehindertengruppe Rothenburg o. T., Ruth F.

Das Telefonmeeting ist eine Bereicherung
In der Corona Zeit gibt es täglich Telefonmeetings zu unterschiedlichen Themen: OA, CODA, AA, NA…
Ich habe damit sehr gute Erfahrungen gemacht, weil thematisch und zeitlich auch für jeden etwas dabei ist. Telefonmeetings sind für mich eine Bereicherung, weil ich europaweit Menschen kennenlerne. Einzig was fehlt, ist der persönliche Kontakt. Der hat natürlich eine ganz andere Qualität.
OA, Yüksel K.

Ermutigungen und schöne Verse
Wir haben eine WhatsApp Gruppe, dort schreibe ich immer wieder Ermutigungen und schöne Verse rein. Und ich habe meine private Telefonnummer eingestellt, damit telefonischer Kontakt jederzeit möglich ist.
Das erste Gruppentreffen fiel aus. Das zweite Treffen habe ich über die virtuelle Plattform bei ZOOM ausgerichtet. Mehrere Teilnehmende waren dabei und nur eine hatte technische Probleme mit der APP. Es war schön, uns alle mal wieder zu sehen und zu hören. Ich finde es eine gute Möglichkeit, sich so zu „treffen“. Vielleicht wäre das auch eine Idee, um z. B. Fachvorträge überregional stattfinden zu lassen. Es ist sehr spannend, welche Möglichkeiten sich auftun, wenn der „physische Kontakt“ Alternativen braucht.
Positiv ist, dass sich die Gruppenteilnehmenden (die „alten Hasen“) schon seit längerem privat vernetzt hatten. Schwierig ist es für Teilnehmende, die neu dazu kommen möchten oder die keinerlei Handy oder PC haben (ja, auch das gibt es heutzutage noch).
Trauergruppe „Begleitet sein“ für jung verwitwete Menschen im Raum Ansbach, Stefanie S.

Wir teilen Erfahrung, Kraft und Hoffnung
Jetzt, in der Corona-Zeit, habe ich mir schon Gedanken gemacht, wie ich nach vielen 24 Stunden Trockenheit, die Zeit ohne Meeting überstehen werde.
Ich habe mich gefragt, ob die Telefonate mit AA-Freunden ausreichen würden, um meine Trockenheit langfristig weiter zu festigen. Dann bin ich auf das Angebot der Videomeetings bei AA gestoßen und ich war zuerst sehr skeptisch, ob es etwas bringen würde. Ich würde ja niemanden kennen und ob das alles sicher wäre und wie die AA-Prinzipien online bei diesem Videomeeting funktionieren würden.
Nun habe ich einige Male an diversen Meetings teilgenommen und bin sehr positiv überrascht. Für mich sind diese Meetings ein voller Ersatz für das normale „Face-to-Face“ Meeting.
Ich habe die Möglichkeit, Erfahrung, Kraft und Hoffnung im Meeting zu teilen und so einen Teil zu meiner eigenen Trockenheit und der anderer AA Freund*innen beizutragen.
Wir planen für die Zukunft, ein AA-Meeting-Franken ins Netz zu stellen für die Freund*innen in Franken und Umgebung, aber gern können auch andere daran teilnehmen.
AA, Alwin

Da beißt die Katze sich in den Schwanz
• Unsere Gruppen versuchen die Kontakte per Telefon, E-Mail oder – wo das möglich ist – mit Bildtelefonie, aufrecht zu erhalten.
• Positiv daran ist, dass wir uns weiterhin austauschen und in Kontakt bleiben können auch ohne die persönlichen Treffen.
• Negativ daran ist, dass die Spontaneität auf der Strecke bleibt. Im direkten Gespräch kann man „Unbequemen“ nicht ausweichen, bei den oben genannten Kommunikationsweisen aber schon. Dies stellt einen Erfolg der Selbsthilfearbeit schon erheblich in Frage.
Sorry, das sind alles absehbare Plattitüden. Mehr könnte höchstens herauskommen, wenn man „Auge in Auge“ darüber diskutieren würde, aber, und da beißt sich die Katze in den Schwanz, genau das geht ja nicht…
Suchthilfe Eckental, Konrad H.

Chatraum mit Hindernissen
Ich habe unseren Chatraum bei Kiss.On erstellt. Es waren allerdings nicht alle aus der Gruppe daran interessiert. Zwei waren zunächst dabei, haben es sich aber dann aus verschiedenen Gründen wieder anders überlegt. Den nächsten beiden war es momentan von ihrer privaten Situation her zu viel, sich damit auseinanderzusetzen. Und dann waren wir nur noch zu zweit. Dafür können wir die herkömmlichen Wege nutzen.
Ich habe etwas die Motivation verloren, immer wieder nachzufragen. Wir haben es leider nicht ausprobiert.
Depressionsgruppe Rothenburg, Susanne Sch.

Ich kann nicht sein wie ich bin
Mein derzeitiges Grundempfinden ist das einer Freiheitseinschränkung. Gar nicht so sehr wegen des Abstandsgebots, der Ausgangseinschränkungen, der Masken etc., sondern weil ich nicht einfach so sein kann wie ich bin. Bei meinen Gegenübern spüre ich das auch, die Spontaneität ist ausgebremst.
Von Cybermeetings halte ich nicht viel, ich rufe immer wieder die Teilnehmenden meiner Gesprächsgruppe an, frage nach dem Befinden und weise auf meine Hilfsbereitschaft hin, falls es Bedarf gibt. Wir sind ganz guter Dinge.
Guttempler Nürnberg, Karlheinz Sch.

…und es gibt die „lustige“ WhatsApp Gruppe
Zufällig, fast zur selben Zeit wie zu Beginn der Corona-Pandemie, als es mit Absagen der Treffen und weiteren Einschränkungen für uns alle losging, haben wir zwei WhatsApp Gruppen ins Leben gerufen, da immerhin 24 unserer 31 Mitglieder WhatsApp nutzen. So ist es neben den üblichen Rundmails und den Telefonaten untereinander eine weitere gute Möglichkeit zu kommunizieren.
Die eine ist eine „sachliche“ WhatsApp Gruppe, die rein für den informativen, MS-bezogenen Austausch sowie die schnelle Info-Weitergabe bzw. schnellere Abfrage von Antworten oder Entscheidungen genutzt werden soll. Hier sollen keine lustigen Filmchen, Texte, Bilder etc. gepostet werden.
Und es gibt die „lustige“ WhatsApp Gruppe, bei der gerade diese ganzen witzigen Filmchen, Texte & Bilder etc. gewünscht bzw. willkommen sind, um den anderen Gruppenmitgliedern den Alltag etwas zu erheitern. Hier sind nur all diejenigen dabei, die das auch wünschen.
So wurden bereits in den letzten Wochen, neben der üblichen Rundmail und den Telefonaten, einige „sachliche“ Infos getauscht und, wie Ihr euch denken könnt, täglich zig „lustige“ Sachen geteilt.
Ansonsten geht es unseren Gruppenmitgliedern, soweit ich es mitbekommen habe, den Umständen entsprechend gut. Es ist ja für alle Menschen eine besondere Situation. Wir freuen uns jedenfalls alle darauf, möglichst bald wieder mit unseren regelmäßigen Treffen sowie unserem Programm, den Aktionen, den Vorträgen und Referent*innen durchstarten zu können.
MS-Gruppe Roth, Jens B.

Die Videokonferenz ist sehr intensiv
Soweit mir bekannt ist, halten die Gruppenmitglieder untereinander über Telefon, WhatsApp usw. Kontakt. Meetings können ja nicht stattfinden.
Zwei Gruppen haben regelmäßig zu den normalen Meetingzeiten ein Meeting über Telefon. Da ich zu einer dieser Gruppen gehöre, kann ich sagen, dass das sehr gut und (fast) wie ein „richtiges“ Meeting funktioniert. Trotzdem vermisse ich den persönlichen Kontakt.
Eine sehr kleine Gruppe (z. Z. nur 3 Personen) macht das regelmäßige Meeting über eine Videokonferenz. Das klappt sehr gut und ist sehr intensiv.
Zwei Probleme haben wir aber durch die derzeitige Situation:
• Neue können uns derzeit nur sehr schwer erreichen. Über die Homepage von Al-Anon können keine Kontakte in den Regionen weitergegeben werden. Das bedeutet, dass uns auf diesem Weg Neue nicht zeitnah finden können.
• Wir finanzieren uns und die ganze Organisation ausschließlich über die Spenden unserer Mitglieder, die am Ende des Meetings eingesammelt werden. Da es keine Meetings geben kann, gibt es im Augenblick auch keine Einnahmen.
Al-Anon Familiengruppen in Mittelfranken, Werner O.

An meine Wegbegleiter*innen
Für mich ist diese Zeit der Ruhe und des Zuhause Seins eine Zeit, um nach innen zu schauen, um an meinem “Bewusstsein” und meiner “Entwicklung” zu arbeiten. Dies bedeutet, achtsam zu sein und nach meinen Gedanken und Emotionen zu schauen, die mich täglich begleiten und die, die ich nicht mehr haben möchte, aufzulösen. Dafür gibt es im Internet mittlerweile viele Anregungen und Meditationen. Probiert es aus, danach fühle ich mich auf jeden Fall viel besser und komme mehr in die Liebe zu mir selbst und zu den anderen.
Christa

So fühle ich mich nicht ganz abgehängt
Kein Austausch in der gewohnten Gemeinschaft, wo die Befindlichkeiten auch ohne Sprechen erkennbar werden. Dafür schafft auch das Telefon nur schwer Ersatz und mit dem Internet sind nur wenige vertraut. Die Gruppenleitung ist stärker als sonst gefragt, aber sie ist auch hilfloser. Dann ein Dankeschön per Post: „Jetzt wird es offensichtlich, wie wertvoll Gemeinschaften sind!“ Oder: „Vielen Dank für die Informationen, so fühle ich mich nicht ganz abgehängt“. Eine Teilnehmerin am Telefon: „Ihr fehlt mir!“ – Jetzt glaube ich doch, dass wir durchhalten bis zum Wiedersehen … denn auch mir fehlt das Gruppentreffen!
Frauen mit Zuversicht – eine Selbsthilfegruppe für Frauen nach Krebs, Heidi T.

Mobilitätsverzicht, Konsumverzicht, Besuchsverzicht
Knapp fünf Wochen sind nun seit den Ausgangsbeschränkungen vergangen und dennoch kommt mir diese Zeitspanne schon wie eine Ewigkeit vor. Für unser letztes Treffen der Kriegsenkelgruppe, das am 20. April 2020 hätte stattfinden sollen, haben wir uns sowohl online als auch per WhatsApp vernetzt, was eigentlich ganz spannend war. Aber auf Dauer ersetzt das natürlich nicht den persönlichen Austausch mit den Gruppenmitgliedern, ihre Gestik und Mimik, ihr Lachen und Weinen beim Erzählen ihrer eigenen Geschichten und der ihrer Vorfahren.
Kriegsenkel Erlangen, Monika R.

Wie gut, dass wir dank moderner Medien nicht allein sind
Die Familien, die in der Selbsthilfegruppe „Rückenwind – Eltern mit besonderen Kindern“ engagiert sind, traf der Lockdown hart. Da ist die Mama, die ihr Kind seit Mitte März nicht mehr sehen darf, weil einerseits die Pflege zu Hause, andererseits der Besuch im Heim nicht möglich ist. Da ist der Papa, der sich Sorgen macht, ob die spezielle Nahrung für das Kind wirklich immer lieferbar sein wird. Da sind die Geschwister, die sehen, dass sich die Eltern zwischen Heimarbeitsplatz, Kümmern um das behinderte Kind und Hilfe beim Homeschooling zerreißen. Wie gut ist da das Wissen, dass man nicht allein ist, sondern die anderen Eltern der Gruppe die Sorgen mit einem teilen und wir dank moderner Medien gut in Kontakt bleiben können.
Rückenwind – Eltern mit besonderen Kindern, Kerstin H.

Sprachnachricht über Radio F
Ich versuche natürlich auch, mit meinen Frauen aus der Selbsthilfegruppe in Kontakt zu bleiben. Dazu habe ich mich an Radio F gewandt. Die senden nun am Donnerstag, den 23. April um 15.40 Uhr zum 2. Mal eine Sprachnachricht von mir an meine „Mädels“.
Selbsthilfegruppe I nach Brustkrebs in Fürth, Sigrid H.

Ich vermisse die atmosphärische Nähe
Wir haben in unserer Guttempler-Gemeinschaft Nürnberg durch Rundbriefe, Telefonanrufe und in einer WhatsApp Gruppe Kontakt gehalten. Einige nutzten auch unseren Chatroom (erreichbar über SHG-Saaletal@gmx.de). Ich persönlich stellte fest, dass sich die Entwicklung zu virtuellen Lebenswelten beschleunigt hat. Das mag hier und da den Kontakt erleichtern. Ich vermisse die atmosphärische Nähe. Denn ich tausche mich lieber gerne persönlich mit anderen Menschen aus.
Guttempler Nürnberg, Jürgen E.

Wir sind auch jetzt wieder sehr geduldig
Infobriefe der Gruppensprecherin sind in der durch Covid-19 bedingten kontaktlosen Zeit die erste Wahl für die an den Spätfolgen der Kinderlähmung erkrankten Teilnehmenden. Quarantäne, monatelange Isolation, kein Kontakt zu den Eltern etc. prägten damals unsere Kindheit. Nicht nur das Erleben der akuten Erkrankung, auch das anschließende „Klarkommen“ mit körperlicher Behinderung haben allerdings unsere Resilienz (die psychische Widerstandskraft) sehr gestärkt.
Die Poliobetroffenen gehen auch jetzt mit der aktuellen Corona-Situation sehr geduldig um und warten einmal mehr in ihrem Leben auf einen Impfstoff.
Klar fehlen uns, trotz diverser Telefonate der Gruppenteilnehmenden untereinander die monatlichen Treffen, der persönliche Kontakt und der direkte Gesprächsaustausch. Aber wir haben Geduld und freuen uns einfach auf die hoffentlich „normalere“ Zeit nach der akuten Pandemie.
PolioGruppe Franken, Angelika B.

Nette Kommentare helfen – Lachen und Weinen fehlen
Wir halten Kontakt über E-Mail, WhatsApp Gruppe und per SMS… – jeweils so wie es für die einzelnen Teilnehmenden oder die ganze Gruppe passt! Wir helfen uns gegenseitig mit netten Kommentaren oder Bildern über die schweren Zeiten! Uns allen fehlen die Treffen und der direkte Austausch und das Lachen und Weinen… da ist all das, was digital nur bedingt möglich ist!
Offene Begegnung Ansbach, Stefanie S.

Spazierengehen mit 1,5 m Abstand
Lange Telefonate geführt – Gruppenkontakt zu einzelnen beim Spazierengehen mit 1,5 m Abstand gehalten – wichtige Gespräche mit einem MPU-Anwärter geführt, dabei ist ein persönlicher Kontakt wichtig!
Schwierig ist es, mit allen Gruppenmitgliedern kontinuierlich Kontakt zu halten.
Blaues Kreuz Gunzenhausen, Karl H.

Einmal sich gegenseitig drücken…
Ach, das war und ist schon anstrengend. Telefoniere viel mit den Teilnehmenden, verschicke WhatsApp-Nachrichten, schreibe Karten und Briefe für die, die nicht telefonieren wollen und sich trotzdem über Nachrichten freuen.
Uns allen setzt das Fehlen der persönlichen Kontakte zu, einmal sich gegenseitig drücken… Aber wir haben viel Austausch untereinander, in jeder Hinsicht.
Schmerztreff Nürnberg, Mona G.